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Das effektive Schreiben von Lerntagebüchern braucht Kontext

  • Julia Klug
  • Sep 25, 2021
  • 4 min read

Updated: Mar 16, 2022

Lernziele im Klassenzimmer fördern das Lernen mit Lerntagebüchern


Für Lehrer:innen


Wer mich kennt, weiß, dass ich ein großer Fan davon bin, mit Lerntagebüchern oder Lernprotokollen zu arbeiten. Der Einsatz von Lerntagebüchern kann das selbstregulierte Lernen unserer Schüler:innen fördern. Er kann auf verschiedene Weise sogar die schulischen Leistungen verbessern. Dies wird Reaktivitätseffekt genannt – das Lernen und die Leistungen werden allein dadurch besser, weil die Schüler:innen darüber nachdenken. Sie können auch kleinste Verbesserungen in dem, was sie bereits wissen und tun können, feststellen. Dies wiederum motiviert dann weiterzumachen.


Der Kontext ist wichtig

Neuere Forschungen legen jedoch nahe, dass nicht nur das Tagebuch selbst und seine Struktur wichtig sind, sondern auch der Kontext, in dem es im Unterricht eingesetzt wird. Jasmin Moning und Julian Roelle haben untersucht, ob die Zielstruktur, die Sie in Ihrem Klassenzimmer verfolgen, für die optimale Wirkung von Lerntagebüchern von Bedeutung ist.


Zielstrukturen im Unterricht

Die Zielstruktur bezieht sich auf die Theorie der Zielorientierungen und beschreibt, welche Art von Zielen im Unterricht verfolgt werden. Lernziele konzentrieren sich auf die individuelle Kompetenzentwicklung der Schüler:innen, während sich Leistungsziele auf den Nachweis von Kompetenz im Vergleich zu Anderen konzentrieren. Sie als Lehrperson können an Ihrer bevorzugten Zielstruktur arbeiten, indem Sie hervorheben, was für Sie wichtig ist oder indem Sie entsprechendes Feedback geben. Für eine Lernzielstruktur betonen Sie die individuelle Verbesserung der Schüler:innen und was die Schüler:innen schon verstanden haben und die Bemühungen, die die Schüler:innen angestellt haben. Für eine Leistungszielstruktur belohnen Sie hohe Leistungen, vergleichen die Leistungen der Schüler:innen untereinander und verwenden eine normative Benotung.


Eine Art Lernprotokoll

Die von den Autor:innen in ihrer Studie gewählte Art des Lernprotokolls war sehr frei. Die Schüler:innen sollten darin einfach in schriftlicher Form über einen Inhalt nachdenken, den sie behandelt hatten. Sie konnten ihre Ideen frei entwickeln und selbst entscheiden, welche Aspekte sie vertiefen möchten. Sie erhielten jedoch einige Fragen, die ihre Textorganisation (z.B. was ist der wichtigste Inhalt?), ihre Ausarbeitung des Textes (z.B. versuchen, wichtige Inhalte durch ein eigenes Beispiel zu illustrieren) und ihre Überwachung (z.B. welche Inhalte haben sie schon gut verstanden, welche nicht?) betreffen. Diese Art von Aufforderungen haben sich beim Lernen als nützlich erwiesen. Die Schüler:innen erhielten außerdem eine Einführung in Lernprotokolle und deren Wert und erhielten einige Beispiele, wie sie aussehen könnten. Eine solche Einführunmg scheint eine gute Idee zu sein, wenn Sie in Ihrer Klasse mit Lernprotokollen arbeiten möchten, um deren Wert einerseits und Ihre Erwartungen andererseits deutlich zu machen.


Die Studie

In der Studie schrieben 166 Neuntklässler ein Lernprotokoll über einen Text, den sie zuvor gelesen hatten. Etwa die Hälfte der Schüler:innen befand sich in einer Situation mit Lernzielorientierung, die andere Hälfte in einer mit Leistungszielorientierung. Den Schüler:innen mit Lernzielorientierung wurde gesagt, dass Lernprotokolle für das Verständnis nützlich sind, dass sie versuchen sollten, ihr Verständnis durch Schreiben zu verbessern, und dass sie Feedback zu ihrer Verbesserung des Verständnisses erhalten. In der Leistungszielorientierung lautete die Vorgabe, dass die Protokolle zeigen, wie gut die Studierenden den Inhalt verstanden haben, dass sie sich alle in ihrem Verständnis unterscheiden und dass sie im Vergleich zu den anderen Schüler:innen Feedback zur Qualität bekommen.


Die Ergebnisse

Bei der Bearbeitung des Lernprotokolls im lernzielstrukturierten Kontext gingen die Schüler:innen qualitativ besser metakognitiv vor als die Schüler:innen im leistungszielstrukturierten Kontext, d.h. sie fanden ihre Verständnislücken und -schwierigkeiten besser. Wenn es darum geht, sich selbst zu verbessern, halten die Schüler:innen es wahrscheinlich für wichtiger, das zu finden, was ihnen schwer fällt oder was sie nicht verstanden haben.


Hinsichtlich der Organisation und Ausarbeitung im Lernprotokoll gab es keinen Unterschied je nach Zielstruktur. Diese Prozesse scheinen in Leistungszielkontexten ähnlich hilfreich zu sein. Studierende könnten eigene Beispiele zur Ausarbeitung erstellt haben, um ihr Verständnis des Inhalts zu zeigen.


Lernzielstrukturen waren aber nicht nur für tiefere metakognitive Prozesse von Vorteil, sondern auch für höhere Lernergebnisse in Bezug auf Wissen und für effizienteres Lernen. Im Rahmen der Lernzielorientierung erlangten die Studierenden bei gleichem Aufwand mehr Wissen. Schüler:innen in der Leistungszielorientierung müssen wahrscheinlich für den gleichen Gewinn mehr Aufwand betreiben, da sie sich damit befassen müssen, ihr Verständnis zu demonstriere und zu "performen", anstatt sich rein für sich selbst zu verbessern.

Implikationen

Wenn wir Lernprotokolle oder Lerntagebücher im Unterricht einsetzen wollen – und das sollten wir unbedingt tun – können wir uns Folgendes merken:

  • Wir können die Tagebücher/Protokolle mit einigen auffordernden Fragen gestalten, die den Schüler:innen helfen, den Inhalt zu reflektieren. Diese Fragen könnten die Organisation der Inhalte, deren Ausarbeitung und die Überwachung des Lernprozesses erleichtern.

  • Wir sollten unserern Schüler:innen die Tagebücher/Protokolle und ihren Wert erklären.

  • Wir sollten sie in eine LLernzielstruktur einbetten.

  • Um eine Lernzielstruktur in unserem Unterricht zu schaffen, können wir das Verständnis und die Bemühungen der Schüler:innen hervorheben und Feedback zur individuellen Verbesserung der Schüler:innen geben, anstatt Unterschiede in der Kompetenz hervorzuheben und Angeberei zu belohnen.

Letztlich ist es wichtig, was wir als Lehrende tun und welchen Kontext wir schaffen, auch für die Förderung des selbstregulierten Lernens mit Tagebüchern! 1Panadero, E., Klug, J., & Järvelä, S. (2016). Third wave of measurement in the self-regulated learning field: when measuring and intervening come hand in hand. Scandinavian Journal of Educational Research, 60 (6), 723-735. http://dx.doi.org/10.1080/00313831.2015.1066436

2Moning, J. & Roelle, J. (2021). Self-regulated learning by writing learning protocols: Do goal structures matter? Learning and Instruction, 75. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2021.101486

3Ames, C. (1992). Classrooms: Goals, structures, and student motivation. Journal of Educational Psychology, 84, 261–271. https://doi.org/10.1037/0022-0663.84.3.261

4Nückles, M., Hübner, S., & Renkl, A. (2009). Enhancing self-regulated learning by writing learning protocols. Learning and Instruction, 19, 259–271. https://doi.org/10.1016/j. learninstruc.2008.05.002

 
 
 
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