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Feel it! Selbstreguliertes Lernen trifft auf Emotionen

Updated: Mar 16, 2022

Emotionen sind überall

Stellen Sie sich ein Klassenzimmer ohne Emotionen vor! Was für eine Dystopie wäre das - ein Klassenzimmer, in dem Kinder wie Maschinen lernen und miteinander interagieren, aber keinen Spaß haben, nicht überrascht werden und keinen Stolz empfinden. Emotionen sind sozusagen die Würze des Lernens (und des Lebens im Allgemeinen, das, wie wir alle wissen, nicht an der Klassenzimmertür endet). Und auch wenn wir das Bedürfnis haben, möglichst nur angenehme Emotionen zu erleben, gibt es auch unangenehme Emotionen, die unser Leben in eine positive Richtung lenken: Angst zeigt uns zum Beispiel, dass wir uns auf etwas Schlimmes in der Zukunft vorbereiten sollten, oder Frustration zeigt uns, dass wir unsere Ziele überdenken oder uns von ihnen lösen sollten. Das Besondere an Emotionen ist: Es gibt sie überall auf der Welt und fast alle Emotionen werden von allen Menschen auf der Erde auf die gleiche Weise wahrgenommen und interpretiert. Emotionen sind die universelle Sprache der Menschheit - ohne sie ist ein Zusammenleben gar nicht möglich.


Emotionen in der Schule

Was für das menschliche Leben auf der Erde wichtig ist, ist auch in der Schule wichtig. So können Emotionen und der Umgang mit ihnen für Sie ein wesentlicher Bestandteil Ihres effektiven Unterrichts sein.

Oft müssen Sie sich der Emotionen Ihrer Schüler (und natürlich auch Ihrer eigenen) bewusst sein, um das Lernen zu ermöglichen und Lernprozesse erfolgreich zu unterstützen.

Dabei können Sie die meisten Informationen aus der Mimik oder dem Verhalten Ihrer Schülerinnen und Schüler gewinnen. Lächeln sie, meiden sie den Blickkontakt, sehen sie wütend aus, bleiben sie bei der Sache oder geben sie schnell auf - all dies sind wichtige Indikatoren für die Einschätzung der Emotionen Ihrer Schüler. Was Sie jedoch nicht sehen können, sind die Gedanken, die Motive und die körperlichen Zustände, die die Gefühle Ihrer Schüler begleiten. Vor allem die Gedanken und Motive müssen aus den Äußerungen, dem Verhalten und dem Kontext erschlossen werden. Dies erfordert theoretisches Wissen, das Sie dabei unterstützt, Emotionen zu antizipieren und professionell mit ihnen umzugehen, um sie schließlich für Lernprozesse zu nutzen. Aber keine Sorge! Genau dafür ist dieser Blog da - wir werden Ihnen theoretisches Wissen über Emotionen und den Umgang mit ihnen vermitteln.


Kontroll-Wert-Theorie der Emotionen

Eine der grundlegendsten und einflussreichsten Theorien über Emotionen in pädagogischen Kontexten ist die Kontroll-Wert-Theorie von Reinhard Pekrun (2006) - und natürlich wurde sie in tausenden von Studien empirisch belegt.


Was sagt uns diese Theorie und warum ist es wichtig, sie als Lehrkraft zu kennen?

Diese Theorie beschreibt und erklärt die Entwicklung der emotionalen Empfindungen von Schülerinnen und Schülern im Klassenzimmer - und wenn man weiß, wie und warum etwas entsteht, bekommt man vielleicht eine Idee, wie man diese Entwicklung beeinflussen kann. Reinhard Pekrun stellt fest, dass zwei Dinge für die Emotionen von Schülerinnen und Schülern in Lern- und Leistungssituationen unmittelbar wichtig sind:


Erstens ist die Art und Weise, wie Schülerinnen und Schüler ein bestimmtes Fach bewerten, ihre eigene Leistung in diesem Fach oder wie es von anderen bewertet wird, eines der wichtigsten Dinge für die Emotionen von Schülerinnen und Schülern. Dies wird als "Wertbeurteilung" bezeichnet. So kann es sein, dass Schülerinnen und Schüler die Fremdsprachen per se als besonders wertvoll für ihr zukünftiges Leben empfinden (Domänenwert), dass sie Leistungen oder gute Noten in der Fremdsprache besonders wichtig finden (Leistungswert) oder dass sie den Eindruck haben, dass die Fremdsprache in ihrer Peer-Group einen besonders hohen Stellenwert hat (sozialer Wert) und deshalb auch für sie individuell wichtig ist.


Aber der Eindruck, dass etwas wertvoll ist, erklärt noch nicht die Emotionen der Schülerinnen und Schüler. Deshalb kommt der zweite Aspekt ins Spiel: die "Kontrollbeurteilung". Die Kontrollbeurteilung eines Schülers oder einer Schülerin zeigt, ob er oder sie die Situation kontrollieren kann, zum Beispiel aufgrund seiner oder ihrer Fähigkeiten. Sowohl die Wert- als auch die Kontrollbeurteilung interagieren und führen zu einer bestimmten Emotion.



ein Beispiel

Wenn eine Schülerin und ein Schüler beispielsweise Mathematik als wichtig einstuft und den Eindruck hat, dass ihre/seine Fähigkeiten hoch sind, wird sie/er angenehme Emotionen erleben. Schätzt er oder sie die eigenen Fähigkeiten jedoch als gering ein, werden unangenehme Emotionen entstehen. Welche spezifische Emotion entsteht, hängt von der Ausprägung der Wert- und Kontrollbeurteilung ab. Die wichtigste Information für den heutigen Tag ist:

Sie können durch Ihren Unterrichtsstil, Ihre Lehrmethoden oder die Art und Weise, wie Sie die Beziehung zu Ihren Schülerinnen und Schülern gestalten, die Wert- und Kontrollbeurteilungen von Schülerinnen und Schülern beeinflussen. Das Muster ist für jede Emotion einzigartig (aber keine Sorge, ich werde Ihnen diese spezifischen Informationen in den nächsten Blogbeiträgen geben).

Selbstreguliertes Lernen und Emotionen

Es gibt große theoretische Überschneidungen zwischen dem Modell des selbstregulierten Lernens (SRL) von Zimmerman und der Kontroll-Wert-Theorie von Pekrun. Wie bei den Emotionen spielen auch beim SRL Einschätzungen eine wichtige Rolle. Auch beim SRL schätzen Schülerinnen und Schüler Werte (z.B. den Wert der Aufgabe) oder ihre eigene Kontrollierbarkeit in Form von Ergebniserwartungen ein und passen ihren Lernstil entsprechend an. SRL und Emotionen können also theoretisch zusammengedacht werden. An einem bestimmten Punkt wird aber auch die praktische Bedeutung der Verbindung beider Konzepte deutlich, nämlich wenn es um die Beziehung zwischen Emotionen und Leistung geht



Natürlich gehen angenehme Emotionen auch mit guten Noten einher (und unangenehme Emotionen mit schlechten Noten). Aber dieser Zusammenhang ist nicht direkt. SRL spielt bei diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Wenn angenehme Emotionen erlebt werden, sind Schülerinnen und Schüler eher bereit, länger und intensiver zu lernen. Dies führt schließlich zu guten Noten. Darüber hinaus geben Emotionen Schülerinnen und Schülern immer wieder Aufschluss darüber, wo sie sich in ihrem Lernprozess befinden:

  • Scham oder Angst können darauf hinweisen, dass es wichtig ist, noch mehr oder anders zu lernen;

  • Hilflosigkeit oder Trauer können darauf hinweisen, dass (soziale) Unterstützung benötigt wird, um ein Ziel zu erreichen;

  • Wut kann darauf hinweisen, dass im Lernprozess etwas passiert, was nicht erwünscht ist, oder dass Ziele nicht erreicht werden können;

  • Freude und Stolz können darauf hindeuten, dass man auf dem richtigen Weg ist und auf diesem Weg weitermachen sollte. Sie geben aber auch die Information, dass eine Lernpause durchaus erlaubt ist.

Mit Schülerinnen und Schülern über Selbstregulierung in Lernprozessen zu sprechen, bedeutet im Wesentlichen, über ihre Gefühle zu sprechen oder sie danach zu fragen. Schülerinnen und Schüler mögen es in der Regel, wenn man mit ihnen über ihre Gefühle spricht. Man hat Gefühle, sie erfordern keine besondere Anstrengung. Dennoch muss in manchen Situationen vorsichtig mit Gefühlen umgegangen werden. So erscheint es beispielsweise völlig inakzeptabel, einzelne Schülerinnen und Schüler vor der ganzen Klasse nach ihrem emotionalen Befinden zu fragen.


Was kommt als nächstes?

Wie man die einzelnen Emotionen am besten anspricht oder wie man sie als Lehrkraft am effektivsten im Klassenzimmer begleitet, darum wird es in meinen zukünftigen Blogbeiträgen gehen. Jeder Blogbeitrag von mir wird sich mit einer Emotion beschäftigen...


 

References

Pekrun, R. (2006). The Control-Value Theory of Achievement Emotions: Assumptions, Corollaries, and Implications for Educational Research and Practice. Educational Psychology Review, 18, 315-341. https://doi.org/10.1007/s10648-006-9029-9

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